
Die Zeit meines neuen Lebens startet heute... das hab ich mir auf jeden Fall so gedacht. Zu Fuss mach ich mich auf zum Gemeindehaus. Die deutsche Abmeldung in der Tasche. Den Mietvertrag und die Heiratsurkunde dabei, ein Passfoto im Portemonnaie und eine Riesenportion Vorfreude. Ich beantrage also meinen Ausländerausweis per 01.07.2017. Die Dame hinter dem Schalter ist sehr freundlich und redet in einem Schwall auf mich ein.
Hey wenn ihr wisst, wie ein Auto guckt... das hab ich drauf. Kein Wort habe ich verstanden - aber die nette Dame hat es Gott sei Dank gemerkt. Sie wiederholt es in hochdeutsch und jetzt kann ich ihr Lächeln auch erwidern. Der Ausweis dauert ein paar Tage, das Bild behält sie schonmal dort, die Rechnung für den Ausweis bekomme ich zugeschickt und erst dann soll ich nochmals kommen und den Ausweis abholen und gleich bar bezahlen. So weit so gut.
Wieder in unserer schönen neuen Wohnung angekommen überlege ich, wie es weitergehen soll. Als erstes melde ich mich bei der Krankenversicherung an. Wir haben die günstigste Kasse gewählt und nur die obligatorische Grundversicherung mit niedriger Franchise. Ist ganz schön ungewohnt, das man das hier selbst zahlen muss - und nicht zu wenig.
Daher ist der nächste Schritt, einen Job zu suchen. Ich habe die letzten Jahre in Deutschland nur noch von zu Hause aus gearbeitet (bis auf die letzten 5,6 Monate vor der Auswanderung) und war dort auf Minijob Basis unterwegs. Also Mindestlohn und nur jeweils ein paar Stunden am Tag.
Da mein Mann einen guten Job hat, habe ich Zeit, mir in Ruhe etwas zu suchen. Und brauche auch nicht auf Vollzeit gehen, sondern es würde reichen, wenn ich wenigstens die Kosten erwirtschaften kann, die für Krankenkasse und einen Teil der Miete reichen würden. Das kann ja nicht so schwer sein, oder? Lest mal die erste Zeile - das hab ich mir auf jeden Fall so gedacht.
Und sowas von falsch gedacht....
Also auf in die Job-Portale - und schauen, was es so für mich im Angebot hat. Ich habe vor über 30 Jahren eine kaufmännische Ausbildung gemacht und danach mit Unterbrechung durch die Geburten meiner Kinder fast 30 Jahre in meinem Lehrbetrieb gearbeitet. Also die Erfahrung mit dem Schreiben von Bewerbungen liegt schon meilenweit zurück....
Ja, ich hatte Französisch in der Schule und stand dort auch sehr gut, aber auch schon 35 Jahre her. Ich kann noch sagen, das ist ein Fenster (das nutzt nicht wirklich etwas)
Also war Fremdsprache schon mal keine Option. Klar hatte ich auch Englisch in der Schule, und meine Lieblings-Songs kann ich auch mitträllern, aber na ja...
Gut. Aber was kann ich denn nützliches? Ich kann schnell Zahlen eintippen - weil ich jahrelang in der Fakturierung gearbeitet habe. Ausserdem habe ich ein richtig gutes Gedächtnis (wenn mich etwas interessiert) und ich lese sehr viel. Ausserdem mag ich Kinderbücher, Romane, Filme, Kino und Fernsehen.
Also werde ich mich zuerst auf diese Dinge konzentrieren: Jobs in der Datenerfassung, Fakturierung oder in einer Bibliothek (endlich etwas machen, was mir auch wirklich Spass macht)
Aber erstens kommt es anders und manchmal kommt es gar nicht.