Hallo Forum!
Ich habe eine anscheinend recht spezifische Frage - aber vielleicht gibt es ja hier das nötige Schwarmwissen...
Folgende Situation:
Ich bin deutscher Staatsangehöriger, aber in der Schweiz aufgewachsen (war also kein Grenzgänger!) und bin 2006 nach England ausgewandert. Inzwischen wohne ich in Deutschland, wo ich vor kurzem ein Haus gebaut habe. Zu dessen Finanzierung habe ich einen Vorbezug der Pensionskasse (Freizügigkeitsstiftung der ZKB) und der 3. Säule (Migros-Bank) gemacht. Nun geht es um die Frage der Versteuerung. Noch ein wichtiger Hinweis: ich war in der Schweiz im öffentlichen Dienst angestellt.
Bis jetzt ist geschehen:
- Versteuerung in der Schweiz: Quellensteuer auf Guthaben der 2. und 3. Säule. bei Auszahlung
- Versteuerung in Deutschland (vorläufig, da Einspruch erhoben): 2. Säule b (Überobligatorium) und Säule 3 steuerfrei, da Verträge vor 2004 abgeschlossen. 2. Säule a Versteuerung analog zur Rente als reduziertes Einkommen (2019: 78%).
Im Oktober hatte ich in der Schweiz die Rückerstattung der Quellensteuer beantragt und diese für die 3. Säule auch vor Kurzem erhalten. Der Antrag für die 2. Säule wurde jedoch abgelehnt, da das DBA ein Besteuerungsrecht der Schweiz vorsehe.
Mein Steuerberater und meine Sachbearbeiterin beim Finanzamt sind davon überzeugt, dass die Schweiz das nicht richtig interpretiert. Mein Steuerberater hat jedoch keinerlei Erfahrungen mit dem DBA Schweiz-Deutschland - ich wohne recht weit von der schweizer Grenze entfernt. Die momentan angestrebte Lösung ist nun eine Anrechnung der in der Schweiz bezahlten Quellensteuer auf die deutsche Steuer. Allerdings: Da das Überobligatorium in D steuerfrei ist, könne nur der Anteil der Besteuerung des Obligatoriums (ca. 1/3) angerechnet werden. Die Entscheidung, ob so vorgegangen werden kann, dürfte im Januar erfolgen.
Ich habe inzwischen viele Stunden mit Recherchen verbracht und habe die Vermutung, dass es alles ganz anders ist - und würde mich über Rückmeldungen freuen, ob meine Sicht der Dinge stimmt.
Meine Interpretation:
Weil ich im öffentlichen Dienst tätig war, gilt für mich Artikel 19 (1) Satz 1 des DBA https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Sta…icationFile&v=3
ZitatVergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat, einem Land, Kanton, Bezirk, Kreis, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates unmittelbar oder aus einem Sondervermögen an eine natürliche Person für erbrachte Dienste gewährt werden, können nur in diesem Staat besteuert werden.
Nun gibt (bzw. gab) es aber einen Qualifikationskonflikt zur Frage, wie Kapitalbezüge aus Vorsorgeeinrichtungen der Schweiz im Rahmen des DBA behandelt werden sollen. Dieser konnte inzwischen mit einer Konsultationsvereinbarung ausgeräumt werden - siehe zum Beispiel https://www.haufe.de/steuern/finanz…164_393286.html
Der wichtige Satz:
ZitatDanach gelten Vergütungen, einschließlich wiederkehrende oder einmalige Zahlungen von Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule der schweizerischen Altersvorsorge an aktive oder ehemals Bedienstete im Schweizer öffentlichen Dienst als aus einem „Sondervermögen“ nach Art. 19 Abs. 1 des DBA gewährt.
Hieraus folgt dann, dass Artikel 19 tatsächlich angewendet werden kann und die Schweiz über das alleinige Besteuerungsrecht verfügt - und mir folglich die Quellensteuer auch nicht erstatten muss.
Die wichtige Frage ist nun allerdings, ob aus dieser Erkenntnis auch folgt, dass die deutsche Steuerbehörde mir keine Steuern auf das Obligatorium berechnen darf, da dies durch das alleinige Besteuerungsrecht ja ausgeschlossen wird!? Dies würde dann bedeuten, dass mir ein höherer vierstelliger Betrag zu viel berechnet wurde, den ich dann natürlich gerne zurückerstattet haben möchte.
Eine solche Interpretation wird zum Beispiel hier unterstützt: https://www.klier-ott.de/fileadmin/publ…ln_fuer_DBA.pdf
Die Besprechung des Beispiels endet mit der Aussage:
ZitatNachdem die Konsultationsvereinbarung eine spezielle Auslegungsregel beinhaltet und den Willen der Vertragsstaaten ausdrücklich festlegt, ist der systematischen Auslegung der Vorrang einzuräumen. Im Ergebnis unterfällt danach die Versorgungsleistung dem Kassenstaatsprinzip und das ausschließliche Besteuerungsrecht liegt gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 DBA- Schweiz bei der Schweiz.
Allerdings bin ich natürlich ein absoluter Laie auf dem Gebiet. Irgendwie habe ich das ungute Gefühl, dass durch mein Nachhaken in diesem Dschungel noch ganz andere Dinge ans Licht kommen könnten, die dann auf einmal eine noch höhere Besteuerung in D zur Folge haben würden. Ich glaube an Murphy's Law...
Hat jemand zufälligerweise persönliche Erfahrungen, die hier helfen können?
Schon mal vielen Dank im Voraus!
Sebastian