Grüezi mitenand!
Soeben habe ich mich in diesem Forum angemeldet, da ich am Wochenende etwas erlebt habe, was mir nicht mehr aus dem Kopf geht.
Erst mal zu meinem Hintergrund:
1963 kam ich als Kind einer Schweizer Familie zur Welt und lebe seither in meinem Heimatland, so wie auch meine Vorfahren (verbrieft seit 1467). Man kann also sagen, dass ich eine waschechte Schweizerin bin, auch wenn es hier und da mal eingeheiratete Verwandte aus Italien & Deutschland gab. Ich mag "mein" Land, bin sehr dankbar für unsere direkte Demokratie und nehme meine "Pflicht" wahr, indem ich bei Abstimmungen an die Urne gehe.
Viele Jahre habe ich für eine internationale Organisation gearbeitet und habe daher sehr viele Freunde in ganz Europa (auch aus Deutschland), mit denen ich in regelmässigem Kontakt stehe und die ich sehr schätze. Da ich direkt an der Grenze zu Deutschland lebe, gibt es natürlich auch Kontakte zu den Nachbarn drüben, die ich als sehr bereichernd empfinde.
Mein Lebenspartner ist auch Schweizer, hat aber mütterlicherseits deutsche Wurzeln (weshalb er perfekt Hochdeutsch spricht und am Zoll bei der Einreise in die Schweiz auch mal gefragt wird, ob er eine Aufenthaltsbewilligung habe). *g*
Nun aber zum Thema, das mich beschäftigt:
Mein Partner bekam im Geschäft einen Mitarbeiter (ich nenne ihn hier mal A.), der aus Ostdeutschland (Sachsen) eingewandert ist, zusammen mit seiner ebenfalls deutschen Partnerin (B.).
Da mein Partner eine leitende Position hat, wurde ihm A. im Zuge der Einarbeitung für einige Zeit seiner Abteilung zugeteilt. Eigentlich wurde A. eingestellt im Servicebereich als Techniker und seine Aufgabe wäre es gewesen, zu den Grosskunden zu fahren um die Geräte zu warten/reparieren. Nun gefiel es A. aber besser in der Abteilung meines Partners, worauf er zur Firmenleitung ging und einfach mal so mitteilte, dass er nicht mehr als Servicetechniker arbeiten wolle, sondern in der Abteilung.
Dies wurde natürlich nicht gerne gesehen und ihm wurde klar gemacht, dass das so nicht geht. Daraufhin hat A. dann zu meinem Partner gesagt, dass er sich krank schreiben lasse, falls es nicht klappe mit dem Wechsel. Lange Rede kurzer Sinn; er liess sich vor Weihnachten krank schreiben und hat dann die Stelle gekündigt, zur Arbeit erschien er gar nicht mehr.
Nun sind A. und B. umgezogen, direkt in das Nachbarhaus wo wir wohnen. Eines Samstags Morgen klingelte es dann an bei uns, die beiden standen unangemeldet vor der Türe. Wir waren nicht auf Besuch eingestellt, hatten ausschlafen wollen und waren entsprechend auch noch nicht richtig angezogen. Wir baten sie zwar hinein, jedoch waren wir viel zu überrumpelt und kamen nicht mal auf die Idee, den beiden etwas anzubieten. Mein Partner hat A. dann aber sanft darauf hingewiesen, dass unangemeldete Besuche eher unerwünscht sind, da man sich ja gerne vorbereitet.
Einige Tage später meldete sich A. dann bei meinem Partner telefonisch, da er und B. am Wochenende uns besuchen wollten (auf einen Kaffee). Er konnte nicht sagen, ob Samstag oder Sonntag, was aber kein Problem war für uns. Am Freitag hatte ich dann einen Kuchen gebacken und wir freuten uns beide auf den Besuch. Am Samstag erschien niemand, ebenso am Sonntag nicht. Als wir nachfragten per Telefon hiess es dann, A. hätte verschlafen und danach habe B. sich hingelegt. Ok, wieder schief gelaufen, aber kein Grund für uns, deshalb sauer zu sein.
Kürzlich nun klappte es mit dem Besuch zum Kaffee und wir verbrachten etwas mehr als zwei Stunden mit den beiden. Danach war ich fix und fertig und auch ziemlich vor den Kopf gestossen.
Mein Partner und ich mussten uns während des ganzen Besuches anhören, was alles schlecht sei in der Schweiz, wie dumm doch die Schweizer seien und dass in Deutschland (besser gesagt in der damaligen DDR) doch alles viel besser war.
A. und B. lebten vorher mehrere Jahre im Kanton Graubünden und sie zogen über die dortigen Einheimischen her, dass es nicht mehr schön war.
Egal auf welches Thema wir umlenken wollten, es endete dauernd damit, dass wir Schweizer sowieso nichts wären ohne die Hilfe der deutschen Einwanderer, dass wir Schweizer von nichts eine Ahnung hätten und auch über frühere Abstimmungen wurde gemeckert.
Vor allem A. tat sich hervor mit einer sehr grossen Klappe, aber keinerlei Kenntnis der tatsächlichen Hintergründe. Man hat auch sehr schnell gemerkt, dass er keine Ahnung hat von der Mentalität der Schweizer, ihrer Geschichte und ihrer Eigenheiten. Natürlich ist in der Schweiz auch nicht alles Gold was glänzt und eine SVP macht es da nicht einfacher mit ihren teils fast schon rassistischen Parolen. Dennoch liebe ich mein Heimatland und es tat mir in der Seele weh, wie da über unser Land und die Leute geurteilt wurde.
Sicher ist es richtig, dass in der Schweiz viele Ausländer arbeiten, ich erinnere mich gut an meine Kindheit, da waren es vor allem Italiener und Spanier, die hier als Gastarbeiter in der Saison tätig waren. Als Problem wurde das eigentlich nie gesehen, auch in den Schulen war es völlig normal, dass es viele Kinder gab von ausländischen Familien. So erlebte ich die Schweiz immer als ein multikulturelles Land, nicht zuletzt auch durch die eigenen vier Landesteile, in denen auch entsprechend gesprochen wird (Italienisch, Französisch, Rätoromanisch und Schweizerdeutsch).
Gegen Ende des Besuchs kamen wir dann auf die bevorstehende Durchsetzungsinitiative zu sprechen, von der weder A. noch B. etwas mitbekommen hatten (was für mich kaum vorstellbar ist, bei dem ganzen Rummel in den Medien derzeit). A. behauptete dann, dass er keinen Schweizer Sender empfangen können, daher auch keine Sendungen zu dem Thema gesehen hatte. Als ich ihm sagte, dass das Schweizer Fernsehen einen offiziellen Informationsauftrag vom Bund hat bezüglich Abstimmungsthemen und eigentlich überall in der Schweiz empfangen werden könne, fiel er mir ins Wort und meinte, das stimme nicht. Nun ja, im Nachhinein stellte sich heraus, dass er kein Geld für den Empfang ausgeben will und deshalb nur eine Satellitenschüssel benutzt. Kein Thema, das ist sein freies Recht, aber als Lügnerin bezeichnet zu werden, fand ich dann doch etwas stark. Die Krönung aber war, dass er meinen Partner auf eine Sendung aus dem Bundestag ansprach und sehr empört war als er zur Antwort bekam, dass wir das nicht gesehen hätten und uns sowieso eher mit Themen beschäftigen, die hier in unserem Land anstehen.
Puh, das wurde nun ein langer Text, obwohl ich versucht habe, so gut wie möglich zusammen zu fassen. Jedenfalls fühlte ich mich nach dem Besuch mehr als aufgebracht und auch mein Partner war alles andere als begeistert bei dem Gedanken, in Zukunft mehr Zeit mit diesen beiden zu verbringen (was deren Wunsch wäre). Ein Gegenbesuch steht nun noch an, doch ich fürchte schon jetzt, dass mir dann der Kragen platzen könnte.
Habt ihr mir vielleicht einen guten Rat, wie ich mit solchen Menschen umgehen soll, die sich als das Höchste der Schöpfung betrachten, hier alles schlecht reden und dennoch lieber in der Schweiz leben, als zurück in ihr hochgelobtes Land zu gehen?
Ich möchte nochmals ausdrücklich betonen, dass ich keinerlei Probleme habe mit Immigranten, egal von woher. Bei mir zählt der Mensch, nicht die Herkunft. Aber...ich liebe mein Heimatland und wenn solche generellen Angriffe von Leuten kommen, die weder eine Ahnung von unserer Geschichte oder Mentalität haben und sich auch keinen Deut darum scheren, dann habe ich grosse Mühe und mutiere innerlich ein wenig zur "Eidgenossin", die dann halt auch mal zu macht. Dies jedoch immer nur bezüglich der Personen und niemals gegen ein ganzes Volk. Ich kann es nämlich nicht ausstehen, wenn man von "die Deutschen" oder "die Schweizer" spricht, denn wir sind alle Menschen und einzelne darunter sind halt etwas schwieriger.
Auf eure Meinungen, Tipps und Antworten bin ich gespannt.
Liebe Grüsse,
Mina