Hallo zusammen
Vor einiger Zeit hatte ich versprochen, einen Thread zum Thema "Schweizer Mentalität" zu eröffnen, da mir als Schweizerin immer wieder kleinere und grössere Unterschiede auffallen, wenn ich mit Leuten aus Deutschland /Österreich zu tun habe.
Natürlich kann man niemals verallgemeinern und ganz wichtig scheint mir auch zu berücksichtigen, dass bei weitem nicht alle, die einen Schweizerpass besitzen, sogenannte "Urschweizer" sind.
Im Netz fand ich einen Artikel zum Thema, den ich als sehr lesenswert empfinde. Den Link dazu findet man am Ende dieses Beitrags. Erst einmal werde ich versuchen, aus meiner ganz eigenen Sicht aufzuzeigen, welche Unterschiede mir besonders ins Auge fallen. Hierbei beziehe ich mich auf die sogenannten Urschweizer, auch öfter mal Eidgenossen genannt.
Direkte Demokratie
Oft ertappe ich mich dabei, dass es mich ein wenig ärgert, wenn ausländische Mitbürger anfangen, über unser politisches System zu diskutieren und dabei häufig nicht mal zwischen Wahlen und Abstimmungen unterscheiden. Die Wahl von Politikern hat nicht dasselbe Gewicht, wie es Abstimmungen haben, die durchschnittlich 4x pro Jahr stattfinden. Für mich ist das ein Zeichen, dass man sich nicht wirklich mit der direkten Demokratie auskennt, sich aber zugesteht, darüber zu urteilen.
Das Stimmrecht bedeutet für uns viel mehr, als alle 4 Jahre einzelne Personen zu wählen, die dann "für's Volch" sprechen und entscheiden. Das Selbstverständnis des Mitspracherechts wird vielen Schweizern quasi in die Wiege gelegt und wir wachsen mit dem Bewusstsein auf, dass wir selbst mitverantwortlich sind, wie sich unsere Willensnation entwickelt. Dazu gehört aber auch, dass man Mehrheitsentscheide als solche akzeptiert und mitträgt. Hieraus erwächst teilweise ein gewisser Unmut gegenüber Kritik von aussen, da man diese viel persönlicher nimmt, als wenn "die Regierung" einfach bestimmt und das Volk sich daran zu halten hat. Natürlich können auch unsere Parlamentarier vieles bestimmen, ohne das Volk zu befragen, tragen jedoch immer das Risiko eines Referendums. Nicht selten kommen so Themen zur Abstimmung, deren Ergebnis vom Parlament "geschluckt" werden müssen.
Sprache(n) und Dialekte
Die Deutschschweiz ist geprägt von vielen regionalen und kantonalen Dialekten. Sie alle fasst man zusammen mit dem Begriff "Schwizerdütsch". Auch wenn es wissenschaftlich vielleicht anders gesehen wird, empfinden viele Deutschschweizer das von Geburt auf erlernte und gesprochene Schwizerdütsch als Muttersprache. Hochdeutsch wird erst in den Schulen gelernt und bereitet aufgrund vieler Unterschiede (Begriffe, Satzstellung etc.) dem ein oder anderen Mühe. So kommt es dann auch vor, dass gewisse Begriffe (z.B. parkieren, grillieren) von Deutschen belächelt werden, was beim Schweizer das Gefühl auslöst, dass man ihn nicht ernst nimmt. Auch Aussagen wie: "lern mal richtig Deutsch" tragen nicht zu einem besseren Miteinander bei, denn für uns ist unser jeweiliger Dialekt keine falsche Sprache, sondern ganz einfach unsere Sprache, die im Alltag überall völlig selbstverständlich gesprochen wird. Nicht umsonst bezeichnen wir Hochdeutsch als "Schriftsprache", da wir es nur als solche benutzen. Auch haben Dialekte in der Deutschschweiz keinerlei negative Bedeutung, da sie vom Bauer bis zum Akademiker im Alltag benutzt werden.
Ich musste mir auch schon öfter mal von Deutschen anhören, dass ich doch gefälligst Hochdeutsch sprechen soll (meist am Telefon durch Mitarbeiter von Schweizer Firmen). Wenn ich dann anmerke, dass wir hier in der Schweiz sind und ich in meiner Muttersprache spreche, bekomme ich nicht selten zu hören, dass die Schweiz ja viersprachig sei und eine der Landessprachen eben Deutsch ist. Das sind Momente wo ich mich dann frage, wie der Gesprächspartner wohl reagieren würde, wenn er/sie in Deutschland aufgefordert würde, eine Fremdsprache zu sprechen. Oder wie es wäre, wenn eine türkische Mitarbeiterin einer Schweizer Firma mich auffordern würde, gefälligst Türkisch zu sprechen.
Kein Problem habe ich jedoch, wenn Deutsche zwar kein Schweizerdeutsch sprechen, es jedoch zumindest verstehen. Und wenn mich jemand freundlich darum bittet Hochdeutsch zu sprechen, tue ich das. Jedoch musste ich leider die Erfahrung machen, dass es eben nicht als Bitte, sondern als Einforderung, ja fast Befehl daherkommt. So offen ich auch bin, das ist dann der Moment, in dem bei mir die Eidgenossin durchbricht. *schmunzel"
Nicht selten stosse ich auch auf die Aussage, dass wir Deutschschweizer einen sprachlichen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Deutschen hätten, da diese sich doch viel trefflicher äussern könnten. Ich weiss nicht, wie es anderen Schweizern geht damit, aber ich habe noch nie so empfunden. Immerhin sind wir durch die Medien nicht ganz ungeübt, was Hochdeutsch angeht. Seit es TV gibt, empfangen wir auch deutsche Sender, mit den Jahren sogar mehr, als Schweizer Sender. Auch alles schriftliche wird (ausser im privaten Bereich) in Schriftsprache geschrieben. Dennoch hat Schweizerdeutsch einen hohen Stellenwert, den man nicht unterschätzen sollte, wenn man als Ausländer hier lebt.
An dieser Stelle möchte ich nochmal auf den eingefügten Link verweisen. Es macht wenig Sinn, nun quasi das Rad neu zu erfinden, wenn man im verlinkten Artikel bereits soviele Infos zur Schweizer Mentalität erfährt, wie ich sie nicht ausführlicher beschreiben könnte. Daher werde ich mich auf die oben erwähnten Punkte beschränken, stehe aber jederzeit gerne für Fragen zur Verfügung.
Hier der Link: http://schweiz.websieb.info/mentalitaet.html
Liebe Grüsse
Mina