Hallo liebe Leute!
So nun - nach fast 4 Monaten - ist endlich der Alltag eingekehrt, letzte Woche habe ich die letzte Hürde genommen und mein Auto, sowie meinen Führerschein erfolgreich umschreiben lassen
Ich würde euch gerne berichten, was mir in den ersten Monaten aufgefallen ist, wie ich manche Dinge wahrgenommen habe und an welche Dinge man sich in der Schweiz besser halten sollte . Dies ist mein ganz persönliches Empfinden und kann natürlich von anderen Menschen ganz anders wahrgenommen werden... Wahrscheinlich kommt es auch darauf an, aus welchem Land/Bundesland man einwandert. Wir (mein Mann und unsere 2 Kinder) sind nach 14 Jahren Österreich ( Nähe von Wien) in den Kanton Luzern gezogen.
Wir haben den Sommer in vollen Zügen genossen, das Wetter war ja traumhaft, die vielen - auch kostenlose - Badeplätze laden ein, auch nur mal kurz zum See zu fahren... Die Freizeitaktivitäten sind endlos, einfach ein Privileg in dieser Umgebung zu leben...
Das Autofahren war für mich Anfangs etwas schwierig und hat mir wenig "Spass" gemacht, bei den vielen 30, 50, 60 und 80 (Landstrasse) Beschränkungen war mein Blick eher auf dem Tacho, als auf der Strasse . Bis jetzt habe ich es ohne Strafzettel geschafft, aber schon bei 1Km/h zu schnell kommt man in den Genuss 40 Chfr zu bezahlen. Dafür wird viel Rücksicht genommen und macht das Autofahren wesentlich stressfreier wie in der alten Heimat. Die Polizei ist auch sehr freundlich. Ich denke, das liegt einfach daran, dass die Menschen sich mit Respekt begegnen und das Aggressionspotenzial sehr niedrig ist.
Seit ich mit 18 meinen Führerschein gemacht habe, bin ich noch nie kontrolliert worden. In der Schweiz war dann mein erstes Mal.
Das Schweizerdeutsch sollte man auch auf keinen Fall unterschätzen, auch nach 4 Monaten fällt es mir schwer alles zu verstehen, ich brauche ziemlich lange um zu antworten, denn mein Hirn muss erst mal alle Puzzlestücke zusammensetzen . Meine Kinder haben in den ersten 3-4 Wochen so gut wie nichts verstanden, aber ab da wurde es dann immer besser....
Den Schweizern wird ja nachgesagt, dass alles etwas langsamer läuft...persönlich würde ich sagen, ja das stimmt! Schnell mal zwischendurch (Zum Beispiel während einer Balletstd. der Kleinen) den Einkauf zu erledigen ist nicht wirklich drinnen und artet in Stress aus. Obwohl immer viele Kassen geöffnet sind, scheinen die Angestellten bei Aldi oder Lidl keinem Leistungsdruck unterlegen zu sein. Das kann aber auch durchaus positiv sein: Das Leben zu entschleunigen tut einfach allen gut. Anfragen per Email können auch mal etwas länger dauern...
Parkgebühren werden fast überall eingehoben auch bei Ikea, kleinere Einkaufszentren usw , ach ja auch werden keine Müllabfuhrgebühren fällig, sondern jeder Haushalt kauft seine Kehrichtsäcke (Müllsäcke) beim Kiosk (17 Fr. für 10 Säcke à 35l). Da überlegt man sich genau, wie klein die Milchpackungen gefaltet werden und man ist oft auf dem Ökihof um den Müll abzugeben. Aber das ist ja genau das Ziel .
Bei Fehlern, die man aus Unwissenheit oder wie auch immer begeht, wird man schnell mal darauf hingewiessen:-)
So nun zu den Schulen:
Meine Grosse (13 Jahre) besucht die Kantonschule in Luzern (Gymnasium, 8 Schuljahr). Sie ist so herzlich aufgenommen worden, ab dem 1. Schultag hat sie keine Mittagspause alleine verbracht, die Mädchen haben sich vorbildlich verhalten und der Gemeinschaftssinn wird auch hier ganz gross geschrieben. Sie ist richtig glücklich in der Schweiz und ist voll integriert!! Vom Unterrichtsstoff hat sie alles letztes Jahr schon gelernt, ABER dafür wird hier der Stoff intensiver durchgenommen, sie muss selbstständiger lernen. Es gibt wesentlich mehr Tests pro Fach (davor 2 Schularbeiten pro Semester) und diese Tests fallen auch wesentlich länger aus (4-7 Seiten keine Seltenheit). Ganz normal ist es, dass Nachmittagsunterricht stattfindet, vor 16. Uhr ist sie nie zu Hause. Nach der Schule müssen natürlich Hausaufgaben gemacht und gelernt werden.
Die Einstündige Mittagspause verbringen die Mädels in der Schule, oder in der Stadt...auf was sie gerade Lust haben. Die Mittagspause liegt aber in der Verantwortung der Eltern.
Das Jahresabo für den Bus (Schulweg) für Kinder in einer bestimmten Zone ist nicht zu unterschätzen, mit 580 Fr.,dachte ich zuerst, ich hätte mich verlesen. Dafür sind die Busse pünktlich, sauber, freundliche Busfahrer, die dir nicht vor der Nase wegfahren und auch mal auf dich warten:-)
Auch die Kleine (7Jahre) wurde super in die 2. Klasse aufgenommen, auch sie ist sehr gut integriert und fühlt sich sehr wohl. Sie nutzt es ein wenig aus, dass alles nicht mehr so streng ist oder erscheint? (Anfang November habe ich ein Gespräch mit der Lehrerin, dann weiss ich etwas mehr).Sie hat in Österreich eine andere Schrift gelernt und muss sich jetzt langsam umstellen. Auch sie hat 2-3 mal Nachmittagsunterricht, Husi (Hausaufgaben) gibt es nur 2x mal in der Woche und sehr wenig. Ich bekomme kaum mit, was sie in der Schule macht. Mir kommt vor, dass hier die Schule mehr Verantwortung übernimmt und somit die Eltern weniger gefordert sind. Persönlich würde ich gerne mein Kind da abholen, wo es gerade nicht passt. Aber das ist ja immer wieder Gesprächsstoff, dass die Schulen mehr tun sollten .
Beide Kinder wollen NIE mehr zurück. Mir fällt smalltalk etwas schwer und muss mich immer überwinden ein Gespräch anzufangen. Aber wenn es mir gelingt, plaudern Schweizer gerne. Anfänglich etwas distanziert, aber das bin ich ja auch;-)
Wir wohnen in einem Dorf an der Stadtgrenze zu Luzern. Der Schulhof mit öffentlichem Spielplatz (Dorfkern), saubere Toiletten sind an allen Spielplätzen vorhanden!!! ist auch Treffpunkt nach der Schule zum Fahrrad- ,Rollerfahren, Fangenspielen usw.... Da ist wirklich immer was los. Die Bibliothek wird auch von allen viel und gerne genutzt. Die Kleine geht in Ballett, das ist ein ziemlich teurer Spass, jedoch gibt es auch günstige Alternativen. In der Schule wird am späten Nachmittag Turnen (Jugendriege) angeboten (140 fr. im Jahr) und es gibt Bu Mei! Das ist ein Jugendtreff für Buebe und Meitlis ab der 1. Klasse. Treffpunkt ist jeden 2. Samstag und sie unternehmen ganz unterschiedliche Sachen. (Letzte Woche waren sie im Wald und haben ein Baumhaus gebaut. Auch das ist günstig! Es wird also für die Jüngeren doch einiges getan, um sie sinnvoll und kostengünstig zu beschäftigen.
In den Herbstferien waren wir in Konstanz und da es in der Schweiz keinen DM-Drogeriemarkt gibt, haben wir diesen natürlich (auch) ansteuern müssen. Was für ein Anblick!!Die Regale waren am frühen Nachmittag von den Schweizern leergekauft. Wir waren echt fasziniert:-) und schlussendlich haben wir doch noch einige heissgeliebte Balea Produkte sichern können...Zuhause haben wir zufällig festgestellt, dass sehr viele Balea Produkte in der Schweiz hergestellt werden. Na dann....bleibt das doch alles im Land ;-))
An die Lebensmittelpreise habe ich mich inzwischen gewöhnt, finde ich auch im vergleich zu dem was man verdient, gar nicht so tragisch. Da Österreich auch teurer als Deutschland ist, ist der Spagat für uns nicht sooo gross. Dienstleistungen sind teuer: zum Beispiel ein Ausflug mit der Zahnradbahn auf den Pilatus ist daher etwas ganz Besonderes, da man da locker mit 250 Franken für eine Familie rechnen muss... Die Schweiz lebt von Dienstleistungen...
So mein nächstes Projekt ist, meinen Lebenslauf zu aktualisieren und meine Bewerbungsunterlagen umzuschreiben: endlich darf ich wieder schreiben: Ich würde mich auf ein Vorstellungsgespräch sehr freuen... es lebe der Konjunktiv
Wir bereuen es nicht, es ist wunderschön hier... es gibt nichts womit wir nicht zurechtkommen, dennoch wollte ich nicht alles "schönschreiben", sich zu integrieren ist sicherlich sehr wichtig aber man sollte sich trotz allem treu bleiben.
So das war ein kleiner Einblick in unser Leben in der Schweiz, wenn jemand ganz konktrete Fragen hat, jederzeit gerne.
Alles Gute an alle, die den Schritt wagen.
LG Ulli