Bin ich noch in Deutschland steuerpflichtig?

  • Hallo,


    ich habe schon einiges zu dem Thema recherchiert aber konnte noch keine endgültige Antwort zu meiner konkreten Frage finden.

    Unter anderem hier: https://www.d-ch-law.com/PDF/D…-CH_bock-sam_2018_177.pdf

    und hier: https://www.estv.admin.ch/estv…nder/sif/deutschland.html



    Mein Szenario:

    gearbeitet in Deutschland (dt. Staatsbürger) bis Mitte April, ab Mai Deutschland ununterbrochen bis Ende Juli verlassen (verreist) und ab 1. August in der Schweiz tätig (B-Ausweis). Seitdem ständiger Aufenthalt am schweizer Wohnsitz welcher ebenfalls ab August besteht. Die deutsche Wohnung besteht trotz Abwesenheit aber trotzdem noch. Einkünfte in Deutschland bestehen nur über Kapitalerträge in meinem Depot.


    Frage:

    Bin ich noch in Deutschland steuerpflichtig? Konkret fragt mich meine neue Bank in der Schweiz dies, als Voraussetzung zum eröffnen eines Kontos. Generell interessiert es mich aber auch für meine Steuererklärung später.


    Viele Grüße und schonmal besten Dank für eure Hilfe

  • Die korrekte Antwort lautet: Es kommt drauf an.


    In Deutschland bist du auf jeden Fall bis Ende April unbeschränkt steuerpflichtig.


    Falls das "Verlassen bis Ende Juli" den Charakter einer Urlaubsreise hatte und du in dieser Zeit in Deutschland gemeldet warst, bist du auch noch für diesen Zeitraum in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig - was aber nur dann relevant ist, wenn du in dieser Zeit dort Einkünfte erzielt hast.


    Falls du zum 1. August bereits in Deutschland abgemeldet warst und sich dein Lebensmittelpunkt (Du, Partner, Kinder) ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland befand, endet deine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland spätestens zum 31. Juli - dafür bist du ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz steuerpflichtig.


    In bestimmten Fällen unterstellt dir der deutsche Fiskus aber, dass dein Umzug in die Schweiz den Hauptzweck einer Steuerflucht hatte und unterstellt dich für die folgenden 10 Jahre einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Für echte Steuerflüchtlinge so wie für die wenigen Gutverdiener, welche der Fiskus einfach einem Pauschalverdacht unterstellt, den diese zu entkräften haben, kann dies äusserst unangenehm sein - für die anderen 97% der Auswandernden dürfte es keine Relevanz haben - mehr dazu zum Beispiel hier.

  • Hallo blabla,


    bei mir war es so:

    Arbeit gewechselt, umgezogen, in der Schweiz angemeldet, B-Bewilligung, deutschen Wohnsitz mit Meldeadresse noch behalten, da mein "erwachsener" Sohn in der Stadt noch studiert und dort in meinem Eigentum wohnt. Ich habe einfach den deutschen Finanzamt die Sachlage per Brief geschildert und die haben mir geantwortet, dass ich dann nur noch steuerpflichtig für die Mieteinahmen in D bin. Ich denke, man muss es einfach offen ansprechen. Und in vielen Fällen wird man auch ein zufriedenstellende Antwort bekommen. Wenn man sich komplett in D abmeldet ist es es klar und man ist in D nicht mehr steuerpflichtig.


    Gruss aus dem Wallis

  • Ich habe nur von meiner persönlichen Erfahrung berichtet.

    Aber wenn man abgemeldet ist und in Deutschland keine Frau, keine Kinder unter 18 hat und auch sonst keinen Bezug der auf einen Lebensmittelpunkt in Deutschland hinweist, ist es ziemlich klar. Aber ja, es kann auch andere Erfahrungen geben. Ich lerne gerne was dazu.

    Einer meiner besten Freunde hatte auch Theater mit seinem Ex-Finanzamt in D aber da hat er nach ein par Hin- und Herschreiben auch die Aussage bekommen dass er nur noch in der Schweiz steuerpflichtig ist. Bei mir ging es halt zufällig einfach. und das obwohl ich immer noch einen Wohnsitz in Deutschland habe.


    Und noch was, mit meinem deutschen Einkommen bleibe ich ja auch steuerpflichtig in D. (Mieteinkünfte) Muss also eh eine Steuererklärung machen.

  • Einmal muss man zwischen beschränkter Steuerpflicht und unbeschränkter Steuerpflicht unterscheiden.


    Und dann muss man noch zwischen dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt (dieser begründet den Steuerstatus) und den Meldedaten (diese können ein Indiz für den Lebensmittelpunkt sein) unterscheiden.


    Und dann gibt es bei Auswanderungen mitten im Jahr noch Unterschiede zwischen CH und D, wie die jeweils ausländischen Einkünfte bei der Bestimmung des Steuersatzes für die jeweils steuerbaren Einkünfte herangezogen werden.


    Spass, Spass, Spass - jede Menge Spass!

  • Ja, das stimmt mir hat, und macht es immer noch, viel Spass auszuwandern.


    Aber insgesamt ist es trotzdem nicht sooo schwierig. CathayPacific hat es aber sehr gut zusammengefasst.

    Die Schweiz ist eigentlich sehr klar und relativ einfach geregelt. Deutschland ist eher der komplizierte part.

    Aber kein Land gibt eben gerne Steuerzahler her. Es scheint hier wohl auch einen Interpretationsspielraum eines jeden Finanzbeamten zu geben.

    Was ein Lebensmittelpunkt ist.


    Aber einfach mal mit Deinem Amt kommunizieren und die Steueransässigkeit klären. (zumindest ist es einen Versuch wert)


    Was den Wechsel unterm Jahr angeht ist es wie folgt:

    Einkommen in Deutschland wird bis zum Zeitpunkt des Wechsel (Lebensmittelpunkt) also Umzug und AG Wechsel in D versteuert in der Schweiz dann das Schweizer EK ab dann. Aber, was in der Schweiz anders gerechnet wird ist nur Steuersatz der wird über das fiktive Jahreseinkommen bestimmt. Also dein Steuersatz (Bund, Kanton und Gemeinde) wird auf Basis eines Jahreslohns gerechnet (übrigens in jedem Kanto anders) Meist wird hier aber der Steuersatz genommen der sich aus der Hochrechnung des Lohns in der Schweiz ergibt. Also effektiv zahlst man Steuer in D bis Wechsel und dann in der Schweiz. Lustig hierbei. D versteuert das tatsächliche Einkommen des Auswanderungsjahres also ein niedriger Steuersatz zur Anwendung kommt.

  • Danke euch allen, ich dachte schon mein thread wäre tot, haha


    Dann werde ich mich bald mit meinem deutschen Finanzamt im Verbindung setzen und die Sachlage schildern.


    Wie sieht es eigentlich mit einem deutschen Depot aus? Ich habe auch hierzu widersprüchliches gehört, manche sagen ich kann es nicht weiterführen, manche sagen ich kann und darüber hinaus kann ich mich sogar von der deutschen Steuerpflicht darauf befreien lassen... wisst ihr wie das sich nun wirklich verhält?


    VG

  • Wie sieht es eigentlich mit einem deutschen Depot aus? Ich habe auch hierzu widersprüchliches gehört, manche sagen ich kann es nicht weiterführen, manche sagen ich kann und darüber hinaus kann ich mich sogar von der deutschen Steuerpflicht darauf befreien lassen... wisst ihr wie das sich nun wirklich verhält?

    Ich habe alle meine Depots in Deutschland behalten. Du musst aber deine Bank(en) über deinen neuen Wohnsitz informieren. Du unterliegst dann nicht mehr der deutschen Steuer.

    Aber, du musst diese Depot dann bei deiner Schweizer Steuererklärung als Vermögen angeben, auch wenn du erstmal nur Quellensteuer zahlst. Für die Depots zahlst du dann Vermögenssteuer, die ist dank einiger Freibeträge überschaubar und nach meiner Meinung viel gerechter als diesen Verechnen in Deutschland mit "wann gekauft, wann verkauft, wie lang gehalten, Verluste mit Gewinnen verrechnen usw.

  • Ob du das Depot weiterführen kannst, hängt eigentlich nur von deiner Bank ab. Rechtlich steht dem nichts im Wege. Allerdings scheuen manche Banken den Aufwand, der mit im Ausland lebenden Kunden einhergeht, und kündigen dann von sich aus.


    Gewinne aus dem Handel mit Aktien sind in der Schweiz nur dann steuerpflichtig, wenn du dies in professionellem Stil betreibst. Was aber in jedem Fall zu versteuern ist, sind Dividenden und Zinserträge.


    Zur endenden Steuerpflicht in Deutschland und den Vermögenssteuern hat fillg1 schon alles geschrieben.

  • Der Vollständigkeit halber: Deutschland unterstellt alle Schweiz-Auswanderer (die länger als 5 Jahre in D steuerpflichtig waren) einer nachlaufenden Besteuerung auf aus Deutschland stammende Einkommen. Unabhängig davon bleiben natürlich Erträge in denen das Belegenheitsprinzip greift immer dort steuerpflichtig (i.d.R. sind das Miet-/Pacht-Einnahmen von Liegenschaften in D.) Nachzulesen im DBA D-CH. Das ist auch der Hauptgrund warum ein Umzug in die Schweiz unter Beibehaltung einer Arbeit in D so unattraktiv ist. Aus D stammende Einnahmen bei Selbstständigerwerbenden sind davon u.U. auch betroffen.


    Weiter gibt es dann noch nachlaufende Besteuerungen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Und hier gibt es eine weitere Besonderheit: In diesem Steuerrecht zielt man nicht auf Wohnsitz sondern Wohnstätte, die eine viel niedrigere Schwelle hat. (Wohnstätte geht z.B. ohne Wohnsitzmeldung)


    Insofern gilt was CathayPacific schrieb: "Es kommt darauf an" und es empfiehlt sich, das nicht vorschnell abzuhaken.