Deutscher Auswanderer motzt über die Schweizer «Weniger offen und locker im Umgang»

Zitat von Hannoveraner

Und ich weiss, dass ich manchmal/oft ziemlich emotional und verletzend ehrlich sein kann,

Das Schlimme ist, das "sich verletzt fühlen" extrem subjektiv ist. Der Sender ist davon überzeugt nicht verletzenden Inhalt zu schreiben/sprechen und ein Empfänger fühlt sich dadurch zutiefst verletzt, wirklich schwierig Oder die Variante der Instrumentalisierung wie im Interview mit Maik. Er beschreibt einen Zustand, den er erlebt, in einer sehr milden, umschreibenden Form und die Zeitung macht daraus "motzen".

Grüezi mit'enand,

In letzter Zeit ist mir eine Häufung von Artikeln aufgefallen, die genau der Überschrift dieses Threads entsprechen. Ich finde es merkwürdig, dass es auf einmal so viele Berichte dieser Art gibt. Allein in dieser Woche hatte ich zwei ("Tik-Tokerin beschwert sich über Gebühren der Kehrichtsäcke", "Mutter sieht nicht ein für KiTa-Platz zu arbeiten") in meinen Nachrichten.

Gut, diese beiden Artikel waren jetzt nicht gerade die aus den besten Medien, dennoch habe ich den Eindruck, das aktuell entweder eine Stimmung gegen unzufriedene Deutsche geschaffen wird oder anders herum, dass es inzwischen so viele Deutsche gibt, die sich nicht anpassen wollen, aber dafür umso lauter "ungerecht" brüllen??? Zumindest die Mutter hat das Fazit konsequent durchgezogen und nach Deutschland zurückgekehrt.

Erhaltet Ihr den selben Eindruck? Falls ja, was ist dafür Eurer MEinung der Grund/ die Gründe?

Zitat von MotU

Erhaltet Ihr den selben Eindruck? Falls ja, was ist dafür Eurer Meinung der Grund/ die Gründe?

Ich habe den gleichen Eindruck wie Du. Die Welt in ihrer nationalen Vielfalt scheint derzeit in unserer Zeit-Epoche sehr plakativ multipolar zu werden und viele nationale Stimmen gegen "nicht nationale Menschen" verschärfen sich in ihrer kollektiven Betrachtung. Ganz nach dem Motto: Die anderen (die Fremden) sind schuld. Bezogen auf die Schweiz finde ich das dämlich, nicht-Schweiz-like, und wenig bis gar nicht reflektiert, ich glaube auch nicht, das die "Zündler" in der Schweiz damit einen Blumentopf gewinnen.

Ich möchte immer wieder mein Beispiel von Deutschland und Frankreich erwähnen: Es war Pandemie 2020/2022, die Menschen im Saarland an der Grenze zu Frankreich haben sich seinerzeit gegenseitig angespuckt. Als ich davon erfuhr, bin ich aus allen Wolken gefallen, nach etwa 70 Jahren Freundschaft und einer gebetsmühlenartigen Freundschaftsbekundung über Jahrzehnte zwischen zwei europäischen Völkern.

Das Mülltütenmädchen hat ja nur einen Scheiß erzählt. In ihren Tüten sind die Gebühren mit enthalten, die sie in Deutschland auf anderem Weg berechnet bekommt. Es ist für mich grundlegend immer mehr dummes Gequatsche festzustellen, weil jeder meint, er hätte müsse sich darstellen, egal wie unwichtig er ist. Blick und 20 Minuten nutzen gerne alles, was sie finden können, was die Leute ein bisschen auf die Palme bringt. Dass gerade mal 2 Selbstdarsteller eine Steilvorlage liefern kann ja mal passieren.

Ich denke, das ist das "Gemotze" derjenigen, die aus irgendwelchen Gründen aus Deutschland wegwollten (aktuell sind das ja recht viele) und mit der Erwartung in der Schweiz ankommen, dass alle ihre persönlichen Probleme durch die Auswanderung gelöst sind. Sei es die unfreundliche Nachbarschaft, der neidende Arbeitskollege, Gebührenlasten, all das soll verschwinden und man am besten noch von allen hofiert werden. Dazu noch ein wenig Verweigerungshaltung bei der Integrationsarbeit, Negieren dass man eine "Bringschuld" hat, Ablehnen der vorhandenen Strukturen, Gewohnheiten und Bräuche und schon ist der jammernde, motzenden und vor allem besserwisserische Deutsche parat seinem Unmut Luft zu machen.

Die bekannten Boulevardblätter zielen sehr bewusst auf reisserische Überschriften, damit ihre Artikel möglichst viel geklickt oder Auflagen gekauft werden. Die Kombination mit dem aktuellen Zeitgeist, nicht viel mehr als die Überschrift zu lesen, verstärkt es dann noch. Positive Nachrichten ziehen leider nicht gut genug. Damit konzentriert man sich lieber auf das Negative.

Hinzu kommt der Punkt von Markus. Insbesondere in den letzten 3 Jahren habe ich häufiger feststellen müssen, dass die Gründe in die Schweiz zu ziehen, mehr darauf beruhen, weil in Deutschland alles so schlecht ist und nicht weil es in der Schweiz so super ist. Der Integrationswille ist dann meist nicht so stark und die Probleme verschwinden nicht mit der Auswanderung. Die Auswanderungsvorbereitung reduziert sich auch häufig darauf, wieviel verdiene ich hier und wo zahle ich am wenigsten Abgaben. Leider. Zeigt sich schön bei der Tik-Tokerin. Unterm Strich zahlt sie mit den Schweizer Kehrrichtsäcken sogar weniger, als in Deutschland. Die Abfallgebühren empfinde ich in der Schweiz als sehr günstig.

Zitat von Maik

Zeigt sich schön bei der Tik-Tokerin. Unterm Strich zahlt sie mit den Schweizer Kehrrichtsäcken sogar weniger, als in Deutschland. Die Abfallgebühren empfinde ich in der Schweiz als sehr günstig.

Japp, der geifernde Kleiderständer scheint es auch nicht richtig zu machen, denn ich bringe in der Regel einen 35-l-Sack erst alle 3 Wochen zur Tonne. Das ganze für 2 Stutz. In Deutschland hab ich für eine 40-Liter-Tonne und Biomüll an die 9 Euro im Monat gelöhnt. Sparbarbie hat einfach keine Ahnung, aber eine große Fresse bis sonstwohin.

Ich denke man muss differenzieren. Einerseits die Menschen, die in die Schweiz einwandern und ihre dystopische Lebens/Denkweise mitbringen und andererseits Revolverblätter wie zum Beispiel in Deutschland die Bildzeitung, die immer mal wieder das Inländische aufzuwerten versuchen, in dem sie Ausländisches schlecht reden. Ein Schweizer sagt, "der Sonnenaufgang heute morgen über dem Vierwaldstätter See war nicht besonders", ---> bietet wenig Angriffsfläche. Ein Deutscher sagt: "der Sonnenaufgang heute morgen über dem Vierwaldstätter See war nicht besonders", ---> "dann geh`doch, Du undankbarer Deutscher, Du Teutone, Eure Sonnenaufgänge sind wohl immer besser..."

Früher vor "dem Internet" hätte die TikTokerin ihren Frust über die hohen Kehrrichtsackpreise nur bei ihren Freundinnen ablassen können, diese hätten kurz mal mitleidig genickt und alle hätten zusammen eine Flasche Prosecco geleert. Am nächsten Tag wüsste dann keiner mehr was eigentlich los war.

Heute quatscht man dann mal kurz ins Smartphone, lädt das hoch und alles bleibt für Jeden und die Ewigkeit erhalten.

Verrohung und Sittenverfall überall wo man hinschaut. Nicht nur bei einigen Deutschen sondern auch so mancher Schweizer kaschiert seine Komplexe eben durch draufhauen auf alles was ihn in seinem nationalen überheblichen Stolz gefährden könnte.

Die Gesellschaft ist am Ende.

Zitat von Kutscher

Was ist da los das immer mehr solche Artikel erscheinen?

Genau mein Punkt! Es ist eine auffällige Anhäufung in letzter Zeit...

Zitat von Kutscher

Kann es sein das die Schweiz keine Auswanderer mehr will.

Mir ist es selber vor 3 Wochen passiert in der Schweiz.
Bin Schweizer ,wohne seit 2017 in Deutschland und als ich letzthin meine Kinder besucht habe, waren wir kurz vorher noch in der Migros.
Beim Aussteigen auf dem Parkplatz haben meine Frau und ich diese Bemerkung von einem Paar gehört: Noch mehr von diesen Blöden Ausländern die uns den Arbeitsplatz wegnehmen.

Wollte noch was dazu sagen ,aber dachte mir dann lass es sein bringt doch nichts.
Bin ich froh, dass wir weg sind von der Schweiz, hier in Deutschland haben die sowas nie zu uns gesagt und wir haben hier auch schon etliche Freundschaften geschlossen und fühlen uns sehr wohl.

Ich hoffe doch das es nicht so schlimm ist, wäre schade da ich ja gerade erst ankomme.

Kenne ich aus Zürich und Umgebung auch nicht, allerdings motze ich grundsätzlich auch nicht rum, "also in Deutschland würde das nicht passieren ...."

Ich habe das allerdings auch schon in Deutschland nicht verstanden, einerseits ist "der Ausländer" faul, ungebildet und dumm und liegt uns nur auf der Tasche, andererseits nimmt er uns die Arbeitsplätze weg. Also wenn mir ein dummer, fauler Ausländer meinen Arbeitsplatz wegnehmen kann, dann würde ich mir eher Gedanken über meine Ausbildung und Qualifikation machen .

Zitat von BonjourSuisse

Ein sehr guter sachlicher Artikel der die Probleme der Auswanderung genau auf den Kopf trifft.

Man sollte Jung sein bei seiner Auswanderung. Unter 30 Jahren ist ideal. Man hat dann noch Möglichkeiten bezüglich Weiterbildung und Karriere sowie genug Rentenbeitragsjahre vor sich. Mit jedem Jahr das man Älter ist wird die Auswanderung schwieriger.

Die Zeitenwende wird auch an der Schweiz nicht spurlos vorüber gehen.... Selbst für junge Menschen die in der Schweiz geboren sind hängen die Früchte höher.

Bezüglich der Auswanderungsalters sehe ich es etwas anders, jedenfalls in unserem Fall.

Gerade in unserem Alter (40-50 Jahre) bekommen wir aufgrund der Beruferfahrung nicht nur sehr viele Job Anfragen - auch aus dem Ausland-, sondern sind auch in einer anderen Gehaltsgruppe als U30. So dass die Kosten für Umzug (sofern nicht vom AG übernommen) und weitere damit verbundene Kosten sehr einfach/ einfacher zustemmen sind. Zudem die Gehaltsverbesserung bei jedem Umzug 20-80%, exponentiell mit dem Alter, betragen. Im Grunde haben sich unsere Karrieren nur durch den Umzug so gut entwickelt, weil wir bei jedem neuen AG auch eine höhere Position o. Gehaltsstufe und mehr Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten haben. U30 hätte sich für uns ein Umzug weder gehaltlich gelohnt, noch kamen Headhunter auf uns aktiv zu und die Incentives der AG waren nicht so gut. Wahrscheinlich wird dies auch nicht unsere letzte Auswanderung bleiben. Natürlich ist es sinnvoll, als Auswanderer noch einen privaten Rentenplan zu haben oder durch die Gehaltsverbesserungen mehr in eine Absicherung investieren zu können.

Wir hatten vor jetziger Auswanderung unsere 10 Punkte (für die der Staat entweder verantwortlich ist oder starken Einfluss hat) betrachtet und in den letzten 10 Jahren nur eine negative Veränderung in D feststellen müssen. Ob Sicherheit, Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, Stellenwert von Kindern und Jugendlichen etc., sinkt D ab und ist gegenüber der Schweiz schlechter aufgestellt. Es kippte für uns das Verhältnis Steuerlast vs. Steuerverwendung in diesen Bereichen zu sehr in den Negativbereich. Die Schweiz war eine Option, aber nicht die einzige bei Betrachtung der 10 Punkte in anderen Ländern.

Bei einigen Themen beobachten wir eine Veränderung in der Schweiz, die in D schon vor rund 10 Jahren eingesetzt hat (z.B. Energiekosten, KK Kosten, ländliche Gesundheitsversorgung u.a.). Da wird aber in jedem Land passieren, in dem immer weniger Einzahler vs. Nutzer gegenüberstehen (durch demografische Veränderung oder unqualifizierte Einwanderung ) oder das Interesse von Aktionären bei Grundversorgungsbereichen das Hauptziel ist.

Ich hatte aus beruflichen Gründen immer wieder Zweitwohnung in verschiedenen Bundesländern/ Ländern oder habe den Wohnort gewechselt. Durch längere Reisen und Gespräche mit Einheimischen bekommt man natürlich auch einiges mit. Gerade das Thema unqualifizierte Zuwanderung ist eigentlich von Nordeuropa bis Südeuropa das Hauptthema, weil natürlich der Lebenstandard der "qualifizierten = arbeitenden" Bevölkerung dadurch langfristig sinkt. Vor 10 Jahren wurde ich schon eher empört auf die strenge Einwanderungspolitik von Australien angesprochen. Jetzt bekomme ich mehrheitlich (ob in Spanien, Norwegen, D) das Feedback, dass die Australier es genau richtig machen würden. Und eine solche Unzufriedenheit mit sinkendem Lebenstandard richtet sich bei Menschen, die nicht so reflektieren können, gerne pauschal auf Ausländer.

Die Mentalität von Schweizern (ausser dem "Kuscheln" auf dem Parkplatz ) finde ich übrigens sehr charmant. Ja, man kommt man vielleicht nicht so schnell in den buddy Kontakt wie mit Amerikanern oder Iren. Und Schweizer erscheinen vom Verhalten eher introvertiert oder ruhiger. (Ausnahmen kennen wir auch). Dafür sind die Schweizer jedoch bis dato immer sehr freundlich und hilfsbereit im Umgang (auch bei Behörden), was den Alltag wirklich angenehm gestaltet. Das wir als Deutsche nicht willkommen sind, konnte ich bis jetzt nicht feststellen. Eher das Gegenteil. Leider werden unterschiedliche Mentalitäten oder Lebensarten auch gerne von Medien eher negativ dargestellt oder ausgelegt, um Clicks zu erreichen, wie Maik schon schrieb. Vielleicht stehen hier auch politische Interessen in Hintergrund. Das es Deutsche trifft hat in meinen Augen zwei Gründe: Deutsche zieht es primär in die Schweiz und man möchte nicht deren Probleme importiert sehen. Und - naja, auf andere Zuwanderer Nationalitäten zu schimpfen würde direkt als rechtsradikal eingestuft werden.

Den Unterschied (Mentalität) zwischen Süd D/Mitte D und Norden D ist übrigens nach meiner Erfahrung grösser als zwischen Nord D und Schweiz

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass sich unser Lebenstandard in der Schweiz nochmal wesentlich verbessert hat und der Umgang miteinander viel besser ist.

PS: Peinlich eben so was wie die Beschwerde einer dusseligen deutschen TikTokerin, dass die (Rest)mülltüten in CH so teuer wären. Da kann man dann nur den Kopf schütteln, dass sie nie gecheckt hat, dass hier die Entsorgung inkludiert ist bzw. das in D dafür die Restmülltonne kostet. Aber solche Videos werden natürlich gerne durch die Medien gezogen , wie vor einigen Wochen Beiträge von Amerikanerinnnen, dass in der Schweiz alles so teuer sei...

Ich bin immer aufs Neue überrascht, dass emotionsbewegende innenpolitische Themen mit Außenpolitik versucht werden zu kompensieren. Ganz unabhängig des Landes. Da ich mal da "unten" lebte, 1982 gab es den Falklandkrieg zwischen Argentinien und England. Argentinien hatte damals einen Diktator, vieles lief bei ihm unrund, also zettelte er zur Auffrischung seiner Beliebtheitswerte den Krieg mit den Falklandinseln an.