Grüezi/Hallo in die Runde
Eines vorab: Wo genau ich beginnen soll, meine Situation zu beschreiben, weiss ich nicht. Ich versuche, sie möglichst vollständig zu beschreiben, damit ihr euch ein gutes Bild davon machen könnt. Sollte etwas unklar sein oder euch eine bestimmte Information fehlen, schreibt gern.
Ich bin Mitte 20, lebe und arbeite in Deutschland, bin beruflich hochgradig unzufrieden, liebe die Schweiz und bin bereit, mich geografisch und beruflich zu verändern.
Nun zu den Details: Studiert habe ich in Deutschland öffentliche Verwaltung (FH-Diplom, vergleichbar LL. B.) und bin seit etwas mehr als zwei Jahren in einer Behörde für verschiedene IT-Projekte zuständig. Meine damalige Entscheidung für diese Stelle kam nicht von ungefähr - schliesslich interessiere ich mich schon seit meiner Kindheit für IT und im Allgemeinen für Technik, insbesondere Elektro-/Nachrichtentechnik. Bisher konnte ich hier auch schon einige Projekte kleinerer bis mittlerer Grösse umsetzen und hatte jeweils grosse Freude daran. Sicherlich fragt sich jetzt der ein oder andere, warum ich dann auf die Idee kam, Verwaltung zu studieren und nichts Technisches - diese Frage stelle ich mir heute selbst, glaube allerdings, sie beantworten zu können. Ich mag es, Technik und Recht zu vereinen. Beides zusammen lässt sich in einem Studiengang leider schlecht vereinen, sodas ich mich damals zunächst für die Juristerei entschied. Den Gedanken, etwas Technisches zu studieren, hatte ich allerdings nie verworfen. Insofern war es quasi eine Entscheidung "auf Zeit".
Nach fast sechs Jahren öffentlichem Dienst (inkl. Studium) merke ich, dass dieser Lebensweg für mich definitiv nicht der richtige ist. Es fehlen mir inhaltliche und karrieremässige Perspektiven, mit dem Personal wird umgegangen wie mit dem letzten Dreck und das einzige Fortkommen erschöpft sich in etwaigen Beförderungen im Abstand eines Zehn-Jahres-Rhythmus'. Zudem werde ich in meinen Projekten regelmässig durch sog. "Führungskräfte" ausgebremst, die mit ihren Methoden der Boomer-Generation (Entschuldigung - sehr pauschales Klischee, das hier allerdings voll zutrifft) junge Menschen vergraulen und es nicht einmal bemerken. Auch wenn ich sicherlich weit weg davon bin, ein Psychologe/Psychiater zu sein, masse ich mir doch an, bei vielen dieser Vorgesetzten narzisstische Wesenszüge zu erkennen, die einen gesunden Menschen mit der Zeit zerstören. Ich beschloss: So kann und soll es nicht weitergehen - ich habe keine Lust, für sinnlose Stapelaufgaben "verheizt" zu werden, permanent unter meinem Potenzial zu bleiben und dadurch abzustumpfen.
Da ich insbesondere im letzten Jahr meine Kontakte zur Schweiz durch Freunde und Angehörige ausbauen konnte, beschäftigte ich mich zunehmend mit diesem aus meiner Sicht wundervollen Land. Nicht nur des Berufes wegen, sondern vor allem auch wegen der Schweizer Kultur, der angenehmen Art des menschlichen Umgangs und - sicher ein etwas abgedroschenes Argument - wegen der reizvollen und vielfältigen Topografie. Nach einigen Aufenthalten und gegenseitigen Besuchen begann ich, mich bei verschiedenen Unternehmen in der Schweiz zu bewerben. Vorrangig entschied ich mich dabei für Firmen aus dem ICT-Bereich oder grössere Unternehmen, die bspw. IT-Projektmanager oder Datenschutzbeauftragte/Compliance Manager etc. suchten. Ich gab mein Bestes, meine doch recht konträren Interessen und meine Veränderungsbereitschaft in der Bewerbung darzustellen. Leider erhielt ich nach zahlreichen Bewerbungen nur eine einzige Zusage auf meine Spontanbewerbung. Dieses eine öffentlich-rechtliche Versorgungsunternehmen hatte grosses Interesse an mir, das Vorstellungsgespräch lief bestens und ich fühlte mich menschlich und fachlich sehr wertgeschätzt. Das war für mich eine komplett neue Erfahung und hat mir sehr deutlich gezeigt, wie es gehen kann. Ich erhielt einen Arbeitsvertrag und eine sehr grosszügige Bedenkzeit, die letztlich in einer Absage meinerseits mündete. Warum? Weil die Stelle inhaltlich nicht ganz gepasst hat - es war ja eine Spontanbewerbung. Da ich ein sehr offener Mensch bin, habe ich dem Unternehmen meine Gründe natürlich mitgeteilt und stiess dabei auch auf Verständnis. Die Stelle war mir persönlich fachlich einfach zu weit von der IT entfernt. Sicherlich hätte ich mich einarbeiten können, aber wäre damit mittelfristig evtl. nicht glücklich geworden. Man war etwas traurig über meine Absage und ich kann mit Sicherheit sagen, dass das nicht geheuchelt war. Letztlich versprach man mir, sich vonseiten des Unternehmens an mich zu wenden, wenn eine andere fachlich geeignete Stelle zu besetzen ist. Man teilte mir mit, dass man meine höfliche Art schätze und ich mich sicher problemlos in die Schweizer Gesellschaft integrieren würde (das soll nicht selbstverliebt klingen - nur ist mir bekannt, dass das bei uns Deutschen im Durchschnitt ein berechtigter Kritikpunkt ist ).
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe trotz dieser sehr positiven Erfahrung den Eindruck, nur ein Nischenkandidat und als solcher nicht wirklich gefragt zu sein. Mein deutscher Abschluss wird durch Swiss ENIC in der Schweiz nicht akkreditiert, da es keinen vergleichbaren Studiengang gibt. Nun gut - ich habe nicht vor, in einem reglementierten Beruf zu arbeiten, von daher ist das im ersten Moment vielleicht nicht dramatisch. Dennoch glaube ich, dass ich ohne eine solche Anerkennung bei vielen potenziellen Arbeitgebern "durchrutsche" und sich meine Chancen dadurch schmälern. Auch wenn ich grundsätzlich an einem längerfristigen Arbeitsverhältnis interessiert bin, möchte ich mir doch gern die Möglichkeit offenhalten, mich auch in der Schweiz umzuorienten, wenn mir danach ist. Ich habe Bedenken, dass das unter den gegebenen Umständen eher schwierig sein könnte; das hat mir nicht zuletzt auch die hohe Anzahl abgelehnter Bewerbungen verdeutlicht. Inwiefern sich diese Situation ändert, wenn ich bereits einige Zeit in der Schweiz war und dortige Berufserfahrung vorzuweisen habe, kann ich nicht beurteilen - dafür fehlen mir einfach die Erfahrungswerte. Sicherlich wäre es für mich auch interessant, in der freien Wirtschaft zu arbeiten. Ich habe Bedenken, dass ich durch meine Tätigkeit im öffentlichen Dienst einen Stempel auf der Stirn habe - mit nicht abwaschbarer Tinte. Dass in der freien Wirtschaft ein anderer Wind weht, ist mir bewusst. Nach dieser Herausforderung suche ich allerdings auch.
Eine andere Option wäre natürlich, noch einmal zu studieren. In dem Fall würde ich mich aus finanziellen Gründen für ein duales Ingenieurstudium in Deutschland entscheiden, obwohl ich mich hier nicht mehr sonderlich wohlfühle und ich finanziell für einige Jahre extrem zurückfallen würde. Wäre dann aus den Gründen eher ein notgedrungenes "Zähne zusammenbeissen und durchziehen". Diese Frage kann mir sicherlich nur ich selbst beantworten. Vielleicht hat allerdings jemand hier im Forum einen ähnlichen Entscheidungsprozess hinter sich und kann seine Erfahrungen hier teilen. Dafür wäre ich sehr dankbar.
Viele Grüsse und danke fürs Lesen
Expat_01