Hallo Anja
Ich möchte da gar nicht Schiedsrichter spielen. Geht auch gar nicht: war nicht dabei. Mir geht es nur darum, dass es einfach immer zwei Seiten gibt. Und ob er nun wusste was du vorhast oder nicht: Ihr habt beide hinter dem Rücken des anderen gemacht/geplant. Was davon jetzt schlimmer ist: keine Ahnung. Aber das Verhalten ist doch beidseitig vollkommen normal - wenn auch nicht perfekt. Wer ist denn in solch einer Situation 100% transparent? Ich vermutlich nicht. Jeder minimiert sein Risiko. Jeder prüft sein Recht/seine Optionen. Alles vollkommen legitim und normal.
Und auch die Vertragsbestandteile spielen das für mich persönlich keine Rolle. Ein Vertrag ist ja nunmal eine gegenseitige Übereinkunft: Leistung und Gegenleistung. Wer da zustimmt, muss erfüllen. Das gilt für den Mitarbeiter und den Arbeitgeber gleichermassen. Wenn man damit nicht einverstanden ist, muss man nachverhandeln (Änderungskündigung) oder kündigen. Dass das in der Theorie einfacher als in der Praxis ist, weiss ich leider auch.
Ich finde es in der Wahrnehmung der Leute einfach interessant, dass es vollkommen normal ist, wenn ein Arbeitnehmer kündigt. Das ist dessen gutes Recht (stimmt!). Dann wird gesagt: ja gut, der Arbeitnehmer verdient mehr, hat mehr Urlaub, kürzeren Arbeitsweg oder was auch immer. Wenn aber der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kündigt, weil er günstigere/bessere/schnellere/weniger kranke Arbeitnehmer gefunden hat, dann ist das immer gleich asozial. Ich persönlich finde das übrigens auch nicht gut. Mich wundert aber die extrem unterschiedliche Wahrnehmung in der Gesellschaft. Oftmals kann eine Firma einen fehlenden Mitarbeiter und auch die wirtschaftlichen Folgen besser kompensieren. Das ist bestimmt so. In Kleinstbetrieben muss aber auch das nicht stimmen.
Hallo Jan82,
ich finde Deine unternehmerische Denkweise wirklich löblich. Auch ich hatte damals in meinem Kleinunternehmen faire Verhältnisse geschaffen und habe dafür auf den letzten ultimativen maximalen Profit verzichtet.
Nun ist es so das auch in der beschaulichen Schweiz ein Sittenverfall zu beobachten ist und eine allgemeine Verrohung sich breit macht. Insbesondere gibt es im Gesundheitswesen viele Private Equity Gesellschaften die kein Interesse an vernünftigen unternehmerischen Tugenden und fairen Arbeitsbedingungen haben. Ich habe nun hier in der Schweiz in einigen solcher Konstrukte gearbeitet und kann nur sagen das diese Gebilde nicht im Interesse der Kunden / Patienten noch im Interesse der Angestellten sein können und so garnicht in das Bild des Schweizer „Saubermannimage“ passen. Mein Gefühl sagt mir, das da viele Schweizer noch in Ihrer heile Welt Blase stecken und diese Entwicklung noch nicht bemerkt haben.
Es sind auch nicht unbedingt Schweizer Unternehmen die diese Entwicklung befeuern und alle Chef`s / CEO`s die ich bis jetzt hatte kamen aus dem benachbarten EU-Raum. Die Schweiz mit Ihren nicht vorhanden Arbeitnehmerschutzgesetzen gepaart mit einem Urvertrauen der Bevölkerung in die Institutionen und ausgesprochen zahlungskräftiger Kundschaft übt eine gewisse Anziehungskraft auf solche Unternehmungen aus.
Oft kommt hier in den Diskussionen die ländliche Bevölkerung der Schweiz sehr schlecht weg. Wobei ich den Eigenschutz gegen gewisse Entwicklungen aus Ihrer Perspektive gut verstehen kann. Schliesslich müssen sie sich auch gegen die oben beschriebenen Entwicklungen wehren. Was wäre schon unsere „geliebte Schweiz“ wenn die Traditionen von der Bildfläche verschwinden. Der Spagat zwischen der Sicherung des Wohlstands in der Schweiz und Bewahrung der Schweizer Identität wird in Zukunft sicherlich nicht leichter.
Noch ein mal klarstellen möchte ich trotz aller Umstände das wir uns hier wohlfühlen und es ist schon was dran das es hier in der Schweiz noch etwas heiler ist als da draussen. Dafür wollen wir auch dankbar sein.