Hallo ihr Lieben!
Lange habt ihr nichts von mir gehört und so möchte ich es nicht verpassen, euch zu erzählen wie es mir in meinen ersten 4,5 Monaten ergangen ist.
Ende Juni bin ich angekommen und hatte noch ein paar Tage Zeit zu realisieren, dass ich jetzt wirklich in der Schweiz und vor allem bei meinem Lebensgefährten bin. Nach fast 3 Jahren Fernbeziehung war das auch endlich notwendig. Ich muss sagen, ganz realisiert habe ich es bis heute immer noch nicht, dass ich jetzt im Ausland lebe. Manchmal - oft zwischendurch auf der Arbeit oder als Beifahrer im Auto - schiesst es mir wie ein Geisteblitz in die Gedanken : "Hey, du bist wirklich ausgewandert und wohnst hier und bist nicht zu Besuch und hasst die Sonntag-Abende nicht mehr, die schon tränenreich den Abschied vom Montag Morgen angekündigt haben!".
Ich muss sagen, es war ja aufgrund der dreijährigen, ständigen Wochenendbesuche nicht alles vollkommen unbekannt für mich und dennoch gibt es immer wieder neue Überraschungen. Ich habe mich super eingelebt und wurde vor allem in der Firma sehr lieb aufgenommen. Ich darf mich glücklich schätzen in einer sehr offenen, warmherzigen und fast schon familären Firma zu arbeiten. Umgeben bin ich hauptsächlich von Schweizern (aus allen Sprachregionen haben wir Leute) und das finde ich gut so. Dadurch kann ich jeden Tag etwas von ihnen lernen und mir fällt die Anpassung und Integration leichter. Die Sprache ist inzwischen schon kein Problem mehr. Ich wurde von jedem Kollegen genau einmal gefragt, ob Schweizer Deutsch in Ordnung ist. Das habe ich aus Höflichkeit schon am ersten Tag bestätigt und bin Tag für Tag besser geworden. Inzwischen müssen die Kollegen oder andere Mitmenschen schon echt heftigsten Dialekt sprechen, dass ich sie nicht mehr verstehe. Dadurch dass wir aus allen möglichen Landesteilen Kollegen haben, frische ich nebenbei mein Französisch auf und höre auch jeden Tag ein bisschen Italienisch. Ich finde diese Mehrsprachigkeit echt cool. Die Arbeit macht mir auch sehr viel Spass und ich habe mich definitiv richtig entschieden. Meine Probezeit habe ich inzwischen auch schon erfolgreich bestanden und ich lerne jeden Tag neue Dinge und darf mich weiterentwickeln.
In meinem Privatleben hat sich natürlich auch einiges geändert. Endlich nicht mehr getrennt sein und den wichtigsten Menschen im Leben immer um sich haben. Es ist klasse. Inzwischen sind wir fast 7 Jahre zusammen und sind irgendwie auch der Meinung, dass diese Fernbeziehung uns gestärkt hat. Es war eine harte Zeit und ich kann mit jedem Einzelnen mitfühlen, der das mitmachen muss. Aber es ein Teil unserer gemeinsamen Geschichte und das ist gut so. Mitte November ziehen wir in eine grössere Wohnung. Uns war von vornherein klar, dass die kleine Wohnung in die mein Lebensgefährte ja mal alleine gezogen ist, auf Dauer nichts ist. Wir hatten Glück und haben gleich bei der ersten Bewerbung unsere Traumwohnung bekommen. Ich kann also nicht bestätigen, dass es Ausländer bei der Wohnungssuche schwerer haben als Schweizer, was man des Öfteren mal hört. Wir freuen uns schon sehr darauf. Ziemlich cool ist, dass ein befreundetes deutsch-brasilianische Paar im Dezember auch in die Schweiz auswandert und in unsere "alte" Wohnung ziehen wird.
Nicht nur auf der Arbeit, sondern auch Privat möchte ich mich integrieren. So habe ich mir in unserem Wohnort, in dem wir auch trotz Umzug wohnen bleiben, einen Sportverein gesucht. Ich wurde sofort voll integriert und herzlich zu den Schnupperterminen aufgenommen. Nach drei Besuchen habe ich einen Anmeldebogen bekommen und hoffe jetzt, dass ich ein vollständiges Mitglied werden kann. Leider gibt es derzeit eine Warteliste, aber ich darf trotzdem weiterhin zum Training kommen. Das ist wieder eine der Situationen, die mir zeigt, dass die Schweizer absolut unkompliziert sind, sich in keinster Weise stressen und hetzen lassen und für alles ein Weg gefunden wird. Von dieser Einstellung bin ich absolut begeistert.
Zusätzlich habe ich mich getraut einen Töff-Führerausweis zu machen. Mit einem deutschen Autoführerausweis ist es recht unkompliziert diesen für einen 125 Kubik Roller zu machen. Nachdem man den Autoführerschein umgeschrieben hat, hat man ein Jahr die Möglichkeit ohne weiteren Sehtest diesen einfach zu machen. Was für mich natürlich nicht unbekannt, aber trotzdem ungewohnt war ist, dass man sobald man einen Lernfahrausweis hat und sich ein blau-weisses L auf sein Gefährt klebt einfach losfahren darf. Ich hatte insgesamt 4 Monate die Möglichkeit so quasi zu üben. Nach zwei Monaten und vor Einbruch des Herbstes wollte ich das L jedoch los haben und habe mir eine x-beliebige Fahrschule ausgesucht und zweimal je vier Stunden Kurs gemacht. Der Kursinhalt ist vom Strassenverkehrsamt vorgeschrieben. Die Fahrschule musste dann nur bestätigen, dass ich daran teilgenommen habe. Als mein neuer Führerausweis dann da war (das Strassenverkehrsamt in Zürich arbeitet offensichtlich im Eiltempo!!) durfte ich das L offiziell abschrauben. Nun bin ich auch noch glückliche Töff-Besitzerin und wir zwei unternehmen die ein oder andere Tour durch die Schweizer Landschaft. Vor allem diverse Seen haben es uns dabei angetan. Meine beiden Favoriten sind der Pfäffikersee (das war er aber schon zu meinen "Besuchszeiten") und der Walensee.
In der Freizeit hatten wir auch schon das Glück von Schweizern eingeladen zu werden. Einmal durften wir einen super Sommerabend bei einer Motorboottour auf dem Zürichsee teilnehmen und ein anders Mal ist ein wahrer, lange gehegter Traum in Erfüllung gegangen und wir wurden zum Segeln auf dem Zürichsee mitgenommen. Es war fantastisch.
Ansonsten fröhnen wir wieder unsrerem Winterhobby: Dem Eishockey anschauen und vor allem Eishockeyspiele im Stadion besuchen. Wir waren schon in Deutschland von diesem Sport begeistert und so bin ich jetzt Fan von einem deutschen und einem Schweizer Eishockeyclub. Ein kleines Stückchen Heimat will man sich halt doch bewahren.
Dieses "kleine Stückchen Heimat" bekommen wir auch immer wieder von unserem Besuch mitgebracht oder bringen es uns von Heimatbesuchen selbst mit. Gewisse, in der Kindheit schon geliebte Wurstwaren gibt es eben nur in unserer Bayerischen Heimat. Da wird dann immer eingepackt was lange hält und was der Zoll erlaubt. Ansonsten bin ich von der Qualität der Speisen hier extrem begeistert und gerne bereit deutlich mehr dafür zu bezahlen als in Deutschland. Erstens verdiene ich hier mehr und zweitens zahle ich lieber mehr Geld und habe dafür gute Lebensmittel als irgendeinen billigen Schrott. Ich achte auch hier wie bereits in Deutschland darauf, dass die Eier zum Beispiel aus Freilandhaltung kommen und Obst und Gemüse Bio ist. Die Qualität von Milchprodukten ist hier um Welten besser als in Deutschland und die Käseauswahl für Käseliebhaber unbeschreiblich und ein reinstes Paradies.
Wie ich bereits erwähnt habe, sind die Schweizer etwas gemächlicher unterwegs als der "typische Deutsche". Ich finde das toll und dieses Land entschleunigt mich einfach jeden Tag ein Stückchen mehr. Angefangen vom Autofahren ohne unnötige Raserei bis hin zu keinem Gedränge im Supermarkt und ordentlichem Einsteigen in die SBahnen. Letztere sind immer pünktlich und ich frage mich immer noch wie die Schweizer das hinbekommen. Dafür bin ich gerne bereit so viel Geld zu bezahlen. Auch von der allgemeinen Sauberkeit bin ich begeistert und erstaunt wie ordentlich hier Wohnungen zurückgegeben werden müssen. Leider wussten wir das nicht so im Detail als mein Lebensgefährte hier eingezogen ist, weshalb wir die für Schweizer Verhältnisse dreckige Wohnung nicht bemängelt haben und damals zwei Tage geputzt haben wie es in Deutschland eigentlich "normal" ist. Dieses Mal sind wir dank meiner Kollegen instruiert und wissen, auf was wir alles achten müssen und dass es unser Recht ist, so etwas auch zu beanstanden wenn es nicht gut sein sollte.
Im zwischenmenschlichen Bereich hatte ich noch keine schlechte Erfahrung mit Schweizern und wurde immer höflich und in gleicher Weise wie Einheimische behandelt. Aber ich bin auch der Meinung, dass da jeder selbst dazu beitragen kann und vor allem muss. Ich lebe hier nun mal im Ausland und ich kann weder erwarten, dass es hier so ist wie zuhause, noch dass ich eine Sonderbehandlung bekomme. "Wie man in den Wald ruft, so kommt es zurück." Ich respektiere die Schweizer, ihre Mentalität, ihre Sprache(n), ihren Nationalstolz, ihre Kultur, ihre Politik und was sonst alles dazu gehört. In manchen Bereichen beneide ich sie sogar ein wenig - zum Beispiel darin, dass das Volk hier politisch viel mehr Einfluss hat als in Deutschland. Wem das alles nicht gefällt, oder wer es nicht akzeptieren kann oder mag, dass es in einem anderen Land eben nicht so ist wie Zuhause, der soll es besser mit dem Auswandern bleiben lassen. Aber das gilt nicht nur für die Schweiz, sondern für jedes andere Land dieser Welt.
Alles in allem bin ich jeden Tag aufs Neue froh darüber, diesen Schritt gewagt zu haben und habe es bisher noch keinen Tag bereut.
Liebe Grüsse
Penelope